Um den Ausstoß von Stickoxiden zu reduzieren, müssen viele Fahrer neuerer Diesel-Pkw nicht nur ihren klassischen Kraftstoff, sondern auch Adblue tanken. Dabei handelt es sich um ein Gemisch aus demineralisiertem Wasser und rund 30 Prozent Harnstoff. In einem sogenannten SCR-Katalysator sorgt Adblue in mehreren Schritten dafür, dass sich giftige Stickoxide in ungefährlichem Stickstoff, Kohlendioxid und Wasserdampf verwandeln. Problem: In den vergangenen Wochen ist nicht nur der Preis für Diesel-Kraftstoff kräftig gestiegen, sondern auch der AdBlue-Preis.
Speditionen müssen enorme Adblue-Zusatzkosten stemmen
Das trifft nicht nur Pkw-Fahrer, sondern auch Spediteure. Denn sie müssen nicht nur die hohen Dieselpreise stemmen, sondern jetzt auch für Adblue massive Aufpreise einkalkulieren. Das „Handelsblatt“ berichtet unter Berufung auf Berechnungen des Branchendienstes Argus Media, dass 100 Liter Adblue früher gut 13 Euro kosteten. Zuletzt waren in der Spitze für die gleiche Menge Abgasreiniger rund 75 Euro zu zahlen. Eine Preissteigerung von heftigen 477 Prozent. Unter anderem der Krieg in der Ukraine sorgte für gewissermaßen explodierende Preise.
Und jetzt zeichnet sich weiteres Ungemach ab. Denn die Kosten für Adblue könnten noch weiter anziehen. Weil Erdgas in diesen Tagen nur zu sehr hohen Preisen zu bekommen ist, haben viele Hersteller von Ammoniak ihre Produktion nämlich zum Teil erheblich reduziert. Für die Herstellung von Adblue wird Ammoniak aber benötigt. Und Ammoniak wiederum lässt sich nur produzieren, wenn Erdgas zur Verfügung steht.
Weil aufgrund des hohen Erdgaspreises eine Ammoniak-Produktion bei Vollauslastung der Produktionsstätten nicht wirtschaftlich ist, wurde in vielen Ammoniak-Fabriken die Produktion gedrosselt. Deswegen sind Lieferprobleme von Adblue für die kommenden Wochen und Monate zumindest ein mögliches Szenario. Von einem Engpass bei der Adblue-Versorgung kann aktuell zwar noch keine Rede sein, doch die nach wie vor hohe Nachfrage bei einem gleichzeitig sinkenden Angebot sorgt eben für steigende Preise.
Erschwerend kommt laut „Handelsblatt“ hinzu: Russland hat seinen Herstellern die Ausfuhr von Dünger und Vorprodukten wie Harnstoff praktisch verboten. Auch das treibt den Preis für Adblue in immer neue Höhen.
Gaspreis als Zünglein an der Waage
Ob in den Ammoniak-Fabriken zeitnah wieder eine Vollauslastung möglich ist, hängt stark vom Gaspreis ab. Zwischenzeitlich kostete eine Megawattstunde (MWh) an der niederländischen Börse TTF fast 350 Euro. Das ist der zehnfache Preis von vor einem Jahr. In den vergangenen Tagen hatte sich das Geschehen an der Großhandelsbörse wieder etwas beruhigt. Preise um 100 Euro je MWh bedeuten aber immer noch einen deutlichen Aufpreis gegenüber den Kosten von vor einem Jahr.
Und dabei ist ein Schreckensszenario noch nicht berücksichtigt: Sollte sich die EU in Form einer Sanktion gegen Russland entscheiden, Gasimporte von dort zu verbieten, sind auch MWh-Preise von bis zu 400 Euro nicht auszuschließen. Das hätte nicht nur gravierende Auswirkungen auf Privathaushalte, die eine Gasheizung nutzen. Auch die Logistikbranche müsste mit enormen Extrakosten rechnen.
Abzuwarten bleibt, wie sich ein Adblue-Mangel auf die deutsche Wirtschaft auswirken würde. Denn dann wäre nicht auszuschließen, dass Logistikunternehmen ihre Lkw im Depot abstellen müssen und infolgedessen vielerorts die Lieferketten unterbrochen werden. In Supermärkten könnte das dann für noch mehr leere Regale sorgen. Zuletzt waren schon Güter wie Sonnenblumenöl, Mehl und Toilettenpapier in vielen Geschäften ein sehr knappes Gut.