Klar ist: Auch wenn die Große Koalition zwischen den Unionsparteien CDU/CSU und der SPD die naheliegendste Möglichkeit für eine Regierungsbildung sind – in trockenen Tüchern ist das Vorhaben noch lange nicht. „Ob es zu einer Regierungsbildung kommt, ob die SPD in eine Regierung eintritt, das steht nicht fest“, sagte SPD-Chef Lars Klingbeil. Das mag genauso gemeint sein, mag aber auch ein Manöver sein, um sich nicht schon jetzt als Junior-Partner den Plänen der Union unterzuordnen. Denn auch, wenn das Bündnis der beiden das einzig wirklich Realistische zu sein scheint, so wollen doch beide ihre Interessen verwirklichen. Und diese sind teils sehr unterschiedlich. Werfen wir einen Blick in die Wahlprogramme von Union und SPD und ihre Pläne.
Breitband und Digitalministerium
Dass ein Bundesdigitalministerium kommt, dürfte gesetzt sein. „Wir bündeln die Verantwortung für Infrastruktur, Datenpolitik, KI, Plattformen und digitale Dienste, Verwaltungsdigitalisierung und modernes Regierungshandeln“, hieß es im Wahlprogramm der Union. Zu vermuten ist, dass dieses Ministerium – so wie traditionell auch das Verkehrsministerium – unter Unions-Führung kommt. Fraglich ist, wie gut das Herauslösen des Digital-Themas aus dem bisherigen Bundesministeriums für Verkehr und Digitales in ein eigenes Digitalministerium klappt. Zu befürchten ist, dass hier im Übergangszeitraum neue Bremseffekte entstehen.
Auch der Ausbau von Glasfasernetzen dürfte sich für die Anbieter unter einer großen Koalition vereinfachen. Beide Parteien wollten einen Genehmigungsturbo bzw. einen Bürokratieabbau. Das ist auch eine der zentralen Forderungen der Anbieter, die Glasfaser-Netze ausbauen. Sie sprechen seit Jahren über hohe Genehmigungs- und Bürokratie-Hürden. Die SPD wollte besonders den ländlichen Raum fördern, machte aber keine weitere konkrete Ankündigung. Die Union hatte im Wahlprogramm angekündigt, den Ausbau von Mobilfunk und Glasfaser in das überragende öffentliche Interesse zu stellen. Das würde einige Ausbauschritte erheblich vereinfachen, weil Genehmigungen wegfallen oder vereinfacht würden. Die Union setzt auf mehr Wettbewerb, Kooperationsmodelle und eine verlässliche Förderung.
Niedrigere Strompreise
Die Strompreise wollten beide Parteien absenken. Die SPD hat es auf die Stromsteuer abgesehen, die laut Wahlprogramm auf das europäische Mindestmaß gesenkt werden sollte. Netzentgelte sollen auf 3 Cent pro Kilowattstunde gesenkt werden. Union und SPD haben zudem Smart Meter und dynamische Stromtarife im Fokus. Diese stehen in Deutschland gerade erst ganz am Anfang der Nutzung, bieten eine Menge Chancen, aber auch hohe Risiken durch hohe Preise bei einer Dunkelflaute. Da beide Parteien entsprechende Senkungen versprochen haben, wird man sie daran messen dürfen.
Deutschlandticket, ÖPNV & E-Auto
Die Gretchenfrage stellt sich beim Verkehr: Die SPD wollte ein striktes Tempolimit von 130 km/h, die Union lehnt es genauso strikt ab. Beide Parteien setzen auf das E-Auto, wobei die Union parallel auch noch andere Antriebsarten befürwortet und das unter SPD-Führung eingeführte Verbrenner-Verbot ablehnt. Das dürfte ein spannender Verhandlungspunkt sein. Beide wollten die E-Auto-Ladeinfrastruktur ausbauen, wobei die SPD hier entschiedener wirkte als die Union. Spannend wird auch die Zukunft des Deutschlandtickets. Die Union schwieg sich hierzu im Wahlprogramm aus, gilt aber nicht als Fan des Angebotes, wohingegen die SPD das Ticket dauerhaft anbieten will.
Wie wichtig den Parteien ihre Punkte sind, in denen sie sich differenzieren, werden die kommenden Tage und Wochen zeigen. Bis Ostern soll es eine neue Regierung geben. Ob diese unter Beteiligung der SPD zustande kommt, und wenn ja, zu welchen Bedingungen, wird sich zeigen.
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