Es ist ein Donnerstagnachmittag im Juli 2023. Der Autor dieses Kommentars muss für einen Termin am nächsten Morgen von seinem Wohnort Berlin nach Bonn. Dank Bahncard 100, der Bahn-Flatrate für knapp 4.300 Euro im Jahr, und der nach einem halben Jahr Pause wieder fahrenden ICE-Sprinter zwischen Bonn und Berlin kein Problem. Einfach in den Abend-Sprinter gesetzt, etwas mehr als vier Stunden entspannt und ohne Zwischenhalt bis Köln fahren. Der Plan: Kurz nach 22 Uhr in Bonn das Hotel erreichen, um am nächsten Morgen ausgeschlafen beim Termin anzukommen. So die Theorie.
Drei Stunden Verspätung, doch nur 10 Euro Entschädigung
Aber der ICE-Sprinter sprintete nicht. Er blieb erst auf freier Strecke kurz vor Stendal liegen, fuhr dann zunächst weiter bis Wolfsburg und endete schließlich außer Plan gegen 20 Uhr in Hannover. Die einzige Alternative, noch nach Bonn zu kommen: ein Umweg über Düsseldorf und ein Nachzug nach Bonn. Statt 22 Uhr sollte nun 24 Uhr die neue Ankunftszeit in Bonn sein. Statt eines Direktzuges ohne Zwischenhalt zweimal umsteigen, mit vielen Haltestellen. Tatsächlich erreichten die schätzungsweise 400 Reisenden des liegen gebliebenen ICE-Sprinter die Bahnhöfe von Köln und Bonn noch einmal deutlich später, sodass sich in Bonn 178 Verspätungsminuten addiert hatten. Es war 1.15 Uhr, bis das Bonner Hotel in Reichweite war.
Während Reisende mit einer normalen Fahrkarte sich hier über eine Entschädigung der Deutschen Bahn in Höhe von 50 Prozent ihres Fahrkartenwertes freuen dürfen, geht der Vielfahrer mit der Bahncard 100 (fast) leer aus. Ab 60 Minuten stehen ihm 10 Euro zu. 10 Euro. Egal, ob der Zug 61 Minuten oder, wie im geschilderten Fall, drei Stunden oder noch mehr verspätet ist: Mehr als 10 Euro macht die Deutsche Bahn nicht locker. Ausnahme: Taxi zum Zielort oder ein Hotel, wenn das Ziel gar nicht mehr erreichbar ist.
10 Euro als Entschädigung – das war schon immer vergleichsweise wenig und höchstens als „Erfrischungsgeld“ anzusehen. Doch angesichts der durch die hohe Inflation deutlich angezogenen Preise in der Bordgastronomie der Bahn und anderswo ist die 10-Euro-Entschädigung nun nur noch ein schlechter Witz. Das Geld gibt’s natürlich auch nicht automatisch, sondern nur nach einem (immerhin inzwischen digitalen) Antrag. Diesen kann man aber erst nach Abschluss der Reise ausfüllen (sonst könnte man die Zeit im Zug ja sinnvoll nutzen), was mindestens fünf Minuten dauert, bis man alle Angaben beisammen hat.
Das ist mit 10 Euro möglich
Die 10 Euro reichen laut Speisekarte der DB Bordgastronomie gerade einmal für eine Currywurst mit Pommes oder andere kleine Snacks. Chili con Carne, ein Linseneintopf oder Nudeln mit Bolognese ist nicht für unter 10 Euro zu haben – sofern das Bordrestaurant überhaupt in Betrieb ist, die Mikrowelle funktioniert und genügend Waren an Bord sind. Immerhin: Etwa einen Liter Wasser bzw. Softdrink ist für die 10 Euro zu haben – dann aber ohne Essen.
Liebe Bahn, es wird Zeit, diese Entschädigungspraxis zu überdenken. Es ist klar, dass ihr bei einer Flatrate-Fahrkarte angesichts der katastrophalen Verspätungen im Netz nicht mit Geld um euch werfen könnt. Deswegen ist es die Entschädigung für Bahncard-100-Kunden ja auch auf etwas weniger als 1.100 Euro im Jahr gedeckelt. Doch wenn sich eure Züge nicht nur um eine Stunde, sondern gleich um mehrere Stunden verspäten, müsstet ihr schon mal etwas mehr Geld locker machen. Denkbar und hilfreich wäre eine gestaffelte Entschädigung. Um Betrug vorzubeugen, könnte man ja einen Nachweis der Fahrt fordern. Hier lässt sich im digitalen Zeitalter mir den QR-Codes am Platz, die nach der Zufriedenheit mit der Fahrt fragen, sicherlich etwas umsetzen. Schließlich gilt es nicht nur, verlorene Lebenszeit und verpasste Termine zu kompensieren, sondern auch tatsächliche Ausgaben für die Verpflegung auf der Reise.