Im kommenden Jahr steht die viel befahrene Bahnstrecke Hamburg-Berlin bei der Deutschen Bahn im Mittelpunkt. Die Strecke soll zwischen August 2025 und April 2026 einer sogenannten Generalsanierung unterzogen werden. Das heißt: Vollsperrung und alles wird einmal auf Links gekrempelt vom Gleis über die Weiche und Oberleitung bis hin zum Signal. Und noch etwas soll in diesem Fall passieren: Die Deutsche Bahn will neue Strom- und Glasfaserkabel verlegen und Sendemasten aufbauen. Damit will sie einerseits ihren künftigen Bahnfunk FRMCS ermöglichen, aber auch den Handyempfang im Zug verbessern. FRMCS soll in ganz Europa bis 2035 GSM-R ersetzen.
Vier Mobilfunker wollen Bauarbeiten für 5G am Gleis nutzen
Wie jetzt bekannt wurde, haben die vier Mobilfunker in Deutschland – Telekom, Vodafone, O2 und 1&1 – sowie die Deutsche Bahn und die Bundesregierung eine Absichtserklärung unterzeichnet. Diese sieht vor, dass die Deutsche Bahn auf den 278 Kilometern Bahnstrecke zwischen Berlin und Hamburg die Voraussetzungen für eine bessere Netzversorgung der vier Netzbetreiber schafft. Denn sie sollen die Masten, Versorgungscontainer sowie Leitungen des Zugfunks mitnutzen können. So will man Bauzeit, Ressourcen und Kosten sparen.
Die Besonderheit: Die Masten sollen gleisnah errichtet werden. Ein solches Projekt hatte die Deutsche Bahn bereits an einer sonst kaum benutzten Teststrecke in Mecklenburg-Vorpommern durchgeführt. Das Gigabit Innovation Track-Projekt (GINT) ermöglichte Messfahrten in einem Test-ICE mit bis zu 140 km/h und die lückenlose 5G-Nutzung im Rahmen eines Testnetzes. Vantage Towers hatte im Rahmen eines geförderten Versuchsaufbaus Masten errichtet. Sie stehen direkt an der Bahnstrecke und ermöglichen so eine gute Versorgung mit 5G und hohe Kapazitäten. Wie aus gut unterrichteten Kreisen zu erfahren war, will die Deutsche Bahn bei der Strecke Hamburg-Berlin aber auf eigene Masten setzen. Das erstaunt insofern, als dass im Rahmen des GINT-Projektes in Mecklenburg-Vorpommern mehrere Millionen Fördermittel des Staates zum Einsatz kamen.
Telekom, Vodafone, O2 und 1&1 beabsichtigen nun, gemeinsam mit der Bahn, den Ausbau für die Strecke Hamburg-Berlin vorzunehmen. Dazu sollen die Vorleistungen der Bahn ein technisch und wirtschaftlich tragfähiges Mobilfunknetz- und Vertragskonzept ermöglichen. Gelingt das, wäre für die aktuell täglich mehr als 30.000 Reisenden auf der Strecke ab 2026 wohl durchgehendes 5G mit Gigabit-Datenraten möglich. Dann sogar bei bis zu 300 km/h.
Bahn will eigene Sendemasten bauen
Obwohl die Netzbetreiber die Masten, Versorgungscontainer, Kabel und vermutlich auch die Antennen mitnutzen können, rufen zumindest einzelne Anbieter nach weiteren Förderungen. „Jetzt geht es darum, die technische Machbarkeit zu erproben und die effektivsten Ansätze zu identifizieren, um Gigabit in den Zug zu bringen. Gleichzeitig brauchen wir ein tragfähiges Finanzierungskonzept, um das komplexe Projekt zukunftsfähig zu gestalten“, lässt Valentina Daiber von Telefónica O2 durchblicken. Für Vodafone-Chef Marcel de Groot habe die Pendlerstrecke Hamburg-Berlin besondere Bedeutung. Das Projekt zeige, wie das Homeoffice auf Rädern in Zukunft Realität werden kann.
Das GINT-Projekt, dem Vorgänger des jetzt angekündigten Projektes, war eine Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Unternehmen. Dabei arbeiteten die Deutschen Bahn, der Sendemast-Betreiber Vantage Towers, O2 Telefónica und Ericsson sowie der Bahngleis-Betreiber Regio Infra Nord-Ost zusammen. Im Abstand von einem Kilometer hatte man insgesamt 13 Sendemasten errichtet, die ohne Betonfundamente auskamen. Jeder Mast kostete gerade einmal 50.000 Euro ohne Technik. Zum Einsatz kamen Frequenzen um 3,5 GHz, was ohne die hohe Dichte an Sendemasten sonst nicht sinnvoll ist.