Steigen die Energiekosten, versuchen viele Verbraucher zunächst den Anbieter zu wechseln. Für eine bestimmte Art des Heizens ist ein Wechsel zu einem anderen Versorger jedoch in der Regel unmöglich. Die Rede ist von Fernwärme, die regional in einem Versorgungsnetz nur von einem Unternehmen angeboten wird. Wie katastrophal sich dieses Monopol auf Kunden auswirken kann, zeigen nun Meldungen aus Hanau. Bis zu 800 Euro pro Monat für die Heizung müssen einige Kunden des Anbieters mittlerweile bezahlen. Eine Entlastung ist dabei keineswegs in Sicht.
800 Euro pro Monat für die Heizung: Die Verbraucherfalle
Wer in Hanau zurzeit mit Fernwärme heizt, muss dafür Kosten in Höhe von 30 Cent pro Kilowattstunde bezahlen. Wie Zahlen von Vergleichsportalen beweisen, muss kaum eine andere Region so viel für die Fernwärme zahlen wie Hanau. Inzwischen berichtet mancher Kunde davon, bis zu 800 Euro pro Monat für das Heizen mit Fernwärme auszugeben. Auch Haushalte mit einem geringeren Verbrauch sprechen von Verdoppelungen bis Verdreifachungen in ihren Heizkosten. Viele Familien verrieten gegenüber der op-online, dass sie ihren Urlaub für dieses Jahr jetzt gestrichen haben. Ein Ende der hohen finanziellen Belastungen ist für die Familien dabei nicht in Sicht. Erst zum 1. Juni 2024 soll er laut SWH „voraussichtlich wieder unter 20 Cent“ liegen.
Dabei betrug der Arbeitspreis 2020 vor der Energiekrise noch knapp sieben Cent pro Kilowattstunde. Obwohl die Preise für Erdgas und Steinkohle mittlerweile gesunken sind, scheint die Reduktion der Kosten nicht bei den Verbrauchern anzukommen. Noch schlimmer ist dabei die Hilflosigkeit, die viele Kunden der SWH verspüren. Denn bei Fernwärme gibt es häufig keinen weiteren Anbieter, zu dem die Fernwärme-Abnehmer wechseln könnten. Die Wärmequelle zu wechseln, ist in vielen Fällen ebenso wenig erlaubt. Familien haben somit nicht einmal die Option, sich auf eigene Kosten eine andere Heizung einzubauen, sondern müssen die hohen monatlichen Ausgaben stemmen. Auf Unverständnis stößt dabei vor allem der große Kostenunterschied zur Nachbarschaft. In Großkrotzenburg zahlt man seit Januar für die Fernwärme lediglich 8,8 Cent. Dabei stammt die Fernwärme dort aus demselben Kraftwerk, aus dem auch die meisten Hanauer Kunden ihre Fernwärme beziehen: aus dem Kraftwerk Staudinger des Betreibers Uniper.
Interessengemeinschaft will gegen hohe Preise kämpfen
Im Argonner Park in Großauheim, der von den SWH beliefert wird, hat sich nun eine Interessengemeinschaft gebildet. Die dortigen Einwohner wollen inzwischen gemeinsam gegen die hohen Preise kämpfen. Teil der Gruppierung ist der Jurist Thomas Eichhorn, der selbst von den Preiserhöhungen betroffen ist und die Interessengemeinschaft rechtlich berät. Der Anwalt hofft auf eine gütliche Einigung mit den Stadtwerken. Aus seiner Sicht sei die Preisänderungsklausel der SWH fehlerhaft. In der Berechnung des Arbeitspreises beachtet die SWH die Marktlage nicht ausreichend, sondern stützt sich vorrangig auf die eigene Kostenlage.
Investitionen dürften jedoch nicht über den Arbeitspreis, sondern nur über den Grundpreis gedeckt werden. Dazu sei auch nicht nachzuvollziehen, warum die SWH ihren Arbeitspreis nur einmal im Jahr festlegt, jeweils zum 1. Juni. In der Nachbarschaft in Großkrotzenburg sei man dabei deutlich flexibler. Die Gemeindewerke passen den Preis viermal in einem Jahr an, wodurch Senkungen schneller bei den Fernwärme-Abnehmern ankommen. Bei der Fernwärmesatzung haben Betroffene keine Wahl, sondern durch die zwischen der SWH und Investoren geschlossenen Verträge herrscht ein Abnahmezwang für die Fernwärme.
Stadtwerke betonen besondere Umstände
Die Stadtwerke Hanau sehen die Situation hingegen anders. Dort betont man, dass die Energiepreise in den Jahren 2022 und 2023 bundesweit erheblich gestiegen sind. Die vertraglich vereinbarte Preisanpassungsklausel erlaube eine Preisanpassung erst erneut zum 1. Juni laut SWH-Sprecherin Karin Lotz. Sie verteidigt zusätzlich die Regelung ihrer jährlichen Preisaktualisierung. Sie führte in der Vergangenheit dazu, dass die Preise in Hanau länger niedrig geblieben sind, während sie anderswo bereits teurer wurden. Die SWH berücksichtigt aus ihrer Perspektive die Marktlage, Investitionen hingegen nicht. Vielmehr weist die Sprecherin op-online gegenüber auf eine „besondere Situation“ hin. Hanau sieht sich einer politisch unsicheren Versorgungslage gegenüber, da die Stadtwerke von der unsicheren Wärmeversorgung aus dem Block 5 des Kraftwerks Staudinger betroffen ist. Aufgrund des festgesetzten Verbots der Kohleverstromung muss die Fernwärme perspektivisch über Blockheizkraftwerke gewonnen werden.
Darum entsteht in Sichtweite des Staudinger ein neues Gemeinschaftskraftwerk der Stadtwerke und des Frankfurter Energieerzeugers Mainova. Zukünftig soll es die Hälfte von Hanau mit Fernwärme versorgen und so den Steinkohleblock 5 ersetzen. Die Betriebsaufnahme des neuen Kraftwerks ist für den Winter 2024/2025 angesetzt. Zusätzlich soll ebenso die Abwärme eines Rechenzentrums genutzt werden, dass in der Nachbarschaft zurzeit entsteht. Man erwarte bei den SWH jedoch, dass die Preise sich wieder stabilisieren werden. Eine mögliche Preissenkung in Zukunft nützt den Betroffen zurzeit jedoch wenig.
Vorerst keine Entlastung für Kunden
Bis eine Einigung erzielt wird oder sich die Preise normalisieren, müssen die Kunden dennoch hohe Kosten im Monat stemmen. Der Vorfall zeigt deutlich, wie groß das Preisrisiko für Verbraucher in Regionen ist, in denen nur ein Fernwärmeanbieter zur Verfügung steht oder ein Abnahmezwang für Fernwärme herrscht. Auch wenn die durchschnittlichen Kosten für Fernwärme im Bundesdurchschnitt mit 147 Euro pro Megawattstunde beziehungsweise 0,147 Cent pro Kilowattstunde deutlich geringer ausfallen als in Hanau, ist die Abhängigkeit von einem Versorger hier größer als bei allen anderen Heizvarianten. Betroffene sollten daher genau abwägen, ob ein Fernwärmeanschluss die langfristig kostengünstigere Variante darstellt.