Das Handelsblatt und andere Medien berichten, dass der aus der Türkei stammende Anbieter Getir sich aus Großbritannien, den Niederlanden und Deutschland zurückzieht. Schon Mitte Mai sollen sich die letzten Fahrer auf den Weg machen und dir binnen weniger Minuten deine Lebensmittel nach Hause bringen. Dabei hatte der Lieferdienst im Zuge seines rasanten Wachstums erst 2022 den Mitbewerber Gorillas übernommen – dem Vernehmen nach für 900 Millionen Euro.
Getir (und Gorillas) vor dem Aus?
Das Prinzip von Getir und vergleichbaren Diensten: Lebensmittel binnen weniger Minuten von dezentralen Mini-Lagern in der Stadt per Fahrrad oder E-Bike an deine Haustür zu bringen. Gorillas war einst mit dem Versprechen gestartet, binnen 10 Minuten deinen Einkauf zu liefern. Davon war man aber nach kurzer Zeit wieder abgerückt.
Um dennoch innerhalb kürzester Zeit Lebensmittel nach Hause zu liefern, betreiben Getir und Gorillas verschiedene Minilager in Großstädten. In diesen stellen sogenannte Picker deine Bestellung zusammen, die dann von Ridern zu dir gefahren werden. Nach dem gleichen Prinzip arbeitet auch der Lieferdienst Flink, an dem Rewe Anteile hält. Für alle Lieferdienste gilt: Es gab und gibt sie fast nur in Großstädten – insbesondere in Berlin.
Doch auch hier werden die Rider wohl bald weniger zum Straßenbild gehören. Laut Handelsblatt wurden die Lager von Getir dazu aufgerufen, Produkte mit Rabatten zu verkaufen. In der entsprechenden Shopping-App seien inzwischen deutliche Abschläge bei einigen Produkten zu erkennen. Bizarr: Dem Bericht nach schießen die Investoren jetzt sogar noch einmal Geld nach, damit Lieferanten und andere Dienstleister noch bezahlt werden können. Stellungnahmen gibt es nicht.
Einer geht, zwei neue kommen – zumindest in Berlin
Auf dem Markt der Lebensmittel-Lieferdienste bleiben damit nur noch wenige Dienstleister zurück. Interessant ist aber, dass es auch immer wieder neue Anläufe gibt. So hat Knuspr in Berlin gerade erst die Dienste von Bringmeister übernommen und fährt in der Hauptstadt eine große Kampagne. Doch der Dienst funktioniert anders: Man arbeitet nicht mit Minilagern und Ridern, sondern auf Basis eines Zentrallagers. Dennoch sollen die Lieferungen auf Wunsch schnell erfolgen. Man spricht von drei Stunden.
Auch sonst scheint Knuspr mehr auf Qualität zu setzen. Man setze auf ein Einkaufs-Team „mit umfassender und lokaler Warenexpertise“. Man wolle den Kunden neben Supermarktartikeln auch „Produkte herausragender Qualität“ direkt von 150 regionalen Erzeugern anbieten. Dazu gehören Fleischspezialitäten der Biomanufaktur Havelland aus Velten, erntefrisches Gemüse vom Bioland-Hof Zielke in Vierlinden, handwerkliche Backwaren in Demeter-Qualität von der Bäckerei Märkisches Landbrot sowie feinste Büffelmilchprodukte von Paolella, einer Käserei in Kremmen mit einer eigenen Wasserbüffelherde im brandenburgischen Mittenwalde. Zumindest in Teilen der Berliner Kundschaft dürfte das gut ankommen.
Parallel zu Knuspr hat auch Picnic Berlin für sich entdeckt. Und auch wenn Picnic große Radio-Werbekampagnen in Berlin fährt: Man schafft es nicht, ganz Berlin zu beliefern, was möglichen Interessenten wiederum vor den Kopf stößt. Es bleibt abzuwarten, ob diese beiden Lieferdienste sich in der Hauptstadt finanziell erfolgreich durchsetzen können.