Reise in den Hofoldinger Forst
Knapp 30 Autominuten südlich von München, direkt an der Autobahn A8 im Hofoldinger Forst gelegen, streckt sich ein Sendemast der Deutschen Funkturm in den Himmel. Die Fahrt dorthin: Kilometerweit über enge, staubige Waldwege. Wer in diesen Tagen auf den Waldwegen unterwegs ist, trifft auf schweres Gerät, das entlang der Waldwege zwei schwarze leere Rohre verlegt. Und heute ist noch mehr los, dort im Wald: Auf Einladung von Telefónica Deutschland sind nicht nur einige Journalisten und der Chef der Baufirma in den Forst gekommen, sondern auch Telefónica-Deutschland-CTO Cayetano Carbajo. Der Grund für den Auflauf mitten im Wald ist der Auftakt einer Zusammenarbeit mit einem Glasfaser-Backbone-Betreiber.
Der Sendemast der Deutschen Funkturm, einer Tochter der Deutschen Telekom, ist schon per Glasfaser angeschlossen. Doch diese Glasfaserleitung wird nur von der Mobilfunktochter der Telekom genutzt, nicht aber von Vodafone und Telefónica Deutschland (O2). Beide Netzbetreiber haben sich Anfang des Jahres darauf verständigt, bei der Glasfaseranbindung ihrer Sender zusammenzuarbeiten. Dort wo einer von beiden schon eine Glasfaseranbindung hat, soll diese dem anderen Netzbetreiber zur Verfügung gestellt werden. Das dürfte dann auch mit diesem Mast an der A8 geschehen.
Partnerunternehmen NGN verfügt über großes Glasfasernetz
Im Hofoldinger Forst lag außer der Telekom-Glasfaserleitung – wie zu erwarten – keine weitere Leitung. Das trifft jedoch nicht auf die A8 zu, die tief im Wald durch ein Rauschen wahrzunehmen ist. Entlang der Autobahn verläuft eine Glasfasertrasse. Sie gehört der NGN Fiber Network KG, einem Unternehmen, das in Deutschland über etwa 15.000 Kilometer Glasfasertrasse entlang von Autobahnen und Wasserstraßen sowie in Städten verfügt. Im April hatte Telefónica bekannt gegeben, einen Rahmenvertrag mit NGN Fiber Network geschlossen zu haben. 1.500 LTE-Standorte von O2 kann NGN Fiber Network im ersten Schritt anbinden. Allesamt sind sie nicht mehr als 3 Kilometer von der bereits bestehenden Glasfasertrasse entfernt.
700 Meter Strecke: Lösungen für Autobahn, Waldschneise und Waldweg
700 Meter neben den Waldwegen entlang und unter der Autobahn hindurch müssen sich die Bauarbeiter der Weigand Bau graben, um den Sendemast im Forst auf der einen und die Glasfaser-Trasse auf der anderen Seite zu erreichen. Dabei setzen sie verschiedenste Methoden ein. Entlang des Weges in einem Grünstreifen kommt eine Eigenentwicklung von Weigand zum Einsatz: Ein Kabelpflug. Er verlegt – in diesem Fall hinter einen Trecker gespannt, sonst von einem 200 Meter langen Seil gezogen – die Kunststoff-Leerrohre in den Boden neben dem Waldweg; in 1,20 Metern Tiefe. Binnen weniger Minuten sind hundert Meter Distanz überbrückt. Es ist kaum auszumachen, wo der Pflug das Kabel verlegt hat. Ein kleiner Bagger verdichtet den Boden hinter dem Pflug wieder und in knapp zwei Wochen dürfte im wahrsten Sinne Gras über die Sache gewachsen sein. Wo die Rohre verlegt wurden, ist per GPS protokolliert.
Nach einigen Minuten muss der Pflug absetzen. Weiter macht eine Spülbohrmaschine. Denn ein zu querender Weg im Wald darf nicht aufgenommen werden, so die Auflage der Behörden. Doch kein Problem. Die Maschine spült sich binnen etwa einer halben Stunde unter dem etwa 15 Meter breiten Weg hindurch. Auf beiden Seiten des Weges haben die Bauarbeiter Gruben gegraben. An der einen Grube steht der Maschine, in der anderen wird die Bohrung erwartet. Bis zu 200 Meter Distanz könnten so überbrückt bzw. „unterbrückt“ werden.
Ist die Maschine in der Zielrube angekommen, wird der Bohrkopf abgeschraubt und die beiden Leerrohre am Bohrgestänge befestigt. Zieht die Bohrmaschine nun ihr Bohrgestänge zurück, werden die Leerrohre unter dem Weg hindurch verlegt. Mit Muffen verbinden die Arbeiter die Leerrohre der verschiedenen Bauabschnitte im Anschluss miteinander. Die Rohre sind jetzt bereit für die Glasfaser. Doch dazu später mehr. Denn der Sendemast ist noch nicht ganz erreicht.
Die Querung der Autobahn ist das Aufwändigste
Die letzten Meter bis zur Basisstation sind bereits vor einigen Tagen verlegt worden – in klassischer offener Bauweise. Das ist die langsamste und somit auch teuerste Baumethode. Sie war aber an dieser Stelle aufgrund eines Kiesweges ohne Seitenstreifen und einer scharfen Kurve zum Sendemast notwendig. Ebenfalls schon erledigt ist die Unterquerung der A8. Diese musste gekreuzt werden, da die NGN-Glasfasertrasse auf der „falschen“ Seite der Autobahn liegt. Auch hier kam die Spülbohrmaschine zum Einsatz. Dem Bau an und unter der Autobahn gingen einige Behörden-Anfragen voraus. „Sie können da nicht einfach drunter durch spülen“, sagt Marco Weigand, Geschäftsführer der Baufirma. Bodengutachten müssten eingereicht und andere Auflagen beachtet werden. Doch in der Regel sei das problemlos möglich. Bahn-Strecken seien da deutlich schwieriger in der Abwicklung – hier dauere das Genehmigungsverfahren oftmals ein halbes oder dreiviertel Jahr.
Ist das Leerrohr verlegt, so kann dieses mit einem Bündel aus kleinen Röhrchen und anschließend mit den eigentlichen Glasfasern bestückt werden. Dazu werden am Ende der Strecke entsprechende Maschinen aufgebaut, die Leerröhrchen und Glasfaser einschießen. Bis zu sechs Kilometer können so überbrückt werden. An den Übergängen müssen die einzelnen Glasfasern dann zusammengeführt („gespleißt“) werden – nichts für nervöse Finger. Denn die feinen Glasfasern müssen ganz genau zusammengeführt werden, sonst stimmt die Datenverbindung am Ende nicht.
Nach zweieinhalb Wochen ist optisch alles wie zuvor
An dem Mast im Süden Münchens haben die Bauarbeiter von Weigand und die NGN-Techniker 700 Meter Glasfaser neu verlegen müssen, um den Telefónica-Standort anzubinden. Vom ersten Spatenstich bis zum Schließen der letzten Baugrube vergehen in diesem Fall etwa zweieinhalb Wochen. Dann aber liegt das Glasfaserkabel auch bis in den Technikraum, in dem die Netzbetreiber ihre Technik aufgebaut haben und alle Oberflächen sind wiederhergestellt. Jetzt müssen die Netztechniker von O2 ran und der Sendemast kann von einer Richtfunk-Zuführung umgestellt werden auf eine Zuführung per Glasfaser. Der Vorteil für die Kunden: Die Anbindung ist stabiler und performanter. Außerdem ist der Sendemast jetzt auch bereit für das kommende 5G-Netz.
Insgesamt verfügt Telefónica derzeit über 25.000 Senderstandorte, die früher oder später per Glasfaser angebunden werden müssen. Alleine der 5G-Start erfordere das, erklärte Telefónica-CTO Cayetano Carbajo, der sich sehr für den Ausbau vor Ort interessierte und auch selber versuchte, zwei Glasfasern zu spleißen – freilich nicht am späteren Netz, sondern nur an einer Test-Faser. Dem Vernehmen nach machte der CTO das trotz mangelnder Übung ziemlich gut.
Hohe Kosten für das Glasfaserkabel zum Sendemast
Über die Kosten der Anbindung des Sendemastes durch sein Unternehmen mochte Geschäftsführer Weigand auf Nachfrage von inside handy nicht wirklich reden. Es sei auch schwierig, das pauschal zu beziffern, da die Voraussetzungen vor Ort immer unterschiedlich seien – je nachdem, wie viel gebohrt werden muss oder wie lang die Strecke ist, die in offener Bauweise realisiert werden muss. Im Schnitt könne man jedoch von 50.000 bis 250.000 Euro für eine Standort-Realisierung ausgehen. Dabei spielt das eigentliche Leerrohr die kleinste Rolle: Es kostet gerade einmal 2 Euro pro Meter. Deswegen wird auch gleich ein zweites Rohr beim Bau mitverlegt. Der Mehraufwand ist überschaubar und so gibt es, sollte doch einmal ein Rohr zerstört werden, direkt ein zweites Rohr, um möglichst schnell Glasfasern neu einschießen zu können.
Der Bautrupp zieht nun weiter. Er hat noch eine Menge Arbeit vor sich. Denn der Ausbau der 1.500 vereinbarten Standorte von O2 hat gerade erst begonnen. Bei den weiteren Arbeiten haben die Männer auch wieder mehr Ruhe: Kein Pressetrupp, kein Telefónica-CTO und keine Erklärungen zwischendurch. Doch abgelegene Waldwege in Autobahnnähe – die dürften bleiben.