Rund um das sich aktuell im Aufbau befindende vierte deutsche Mobilfunknetz von 1&1 gab es in den zurückliegenden Monaten kaum positive Nachrichten. Verzögerungen an allen Ecken und Enden sorgten dafür, dass United Internet gewaltig unter Druck geriet. Die Bundesnetzagentur eröffnete im April sogar ein Bußgeldverfahren, weil United Internet und 1&1 ihren Ausbauverpflichtungen hinsichtlich des eigenen 5G-Netzes nicht ausreichend nachkamen. Eigentlich sollte das neue Netz schon bis Ende 2022 an 1.000 Standorten über nutzbare Funkmasten verfügen. Stattdessen waren aber nur fünf in Betrieb. Ein halbes Jahr später, Ende Juni dieses Jahres, auch gerade einmal 40.
1&1 sieht Licht am Ende des Tunnels
Es stockt also gewaltig im Mobilfunk-Netzaufbau von 1&1. Und als Hauptschuldiger gilt die Vodafone-Tochter Vantage Towers, die ihren vertraglich vereinbarten Ausbauverpflichtungen nur unzureichend nachkam, monierte United Internet in der Vergangenheit. Es wurde sogar ein Beschwerdeverfahren bei der Bundesnetzagentur in die Wege geleitet. Trotzdem fanden Vodafone und 1&1 jetzt zusammen, um überraschend einen umfangreichen National Roaming-Vertrag zu besiegeln. Dort, wo kein eigenes Netz zur Verfügung steht, werden Mobilfunk-Kunden von 1&1 in Zukunft für mindestens fünf Jahre ersatzweise auf das Handynetz von Vodafone zurückgreifen können.
United Internet-Chef Ralph Dommermuth war am Mittwoch sichtlich bemüht, eine positive Grundstimmung zu verbreiten. Er erkennt nach eigenen Angaben erste Anzeichen, „dass sich bei Vantage Towers einiges bewegt und dass man sich bemüht, den Output zu erhöhen.“ Trotzdem wird es weitere Verzögerungen beim Netzaufbau geben. In einer Telefonkonferenz verriet der Manager, dass im laufenden Jahr nur 1.000 statt der eigentlich eingeplanten 1.200 Antennenstandorte verfügbar sein werden.
Vantage Towers habe einen Teil der zugesagten Standorte, die Rede ist von 300 Stück, ohne spezifische Angabe von Gründen abgemeldet. Noch offen ist zudem, wie viele Standorte bis Ende des Jahres tatsächlich vollständig an das 1&1-Netz angeschlossen und von Endkunden nutzbar sein werden. Voraussichtlich nimmt der Aufbau des neuen 5G-Netzes von 1&1 aber erst im Laufe des Jahres 2024 so richtig Fahrt auf.
Kritik an Telefónica Deutschland
Trotzdem sei der Schritt, künftig auf Vodafone als Partner beim National Roaming zu setzen, der richtige. Dommermuth: „Der mit Vodafone ausgehandelte Vertrag hat keine versteckten, nicht planbaren Kosten. Er hat ein faires, transparentes System.“ Primär deswegen habe man sich für Vodafone entschieden und gegen eine weitere Zusammenarbeit mit Telefónica Deutschland.
Einen finanziellen Vorteil biete der Vodafone-Vertrag hingegen nicht. Die Kosten sind nach Dommermuths Aussagen im Vergleich zum aktuellen Abkommen mit Telefónica Deutschland in etwa gleich. Mit Telefónica habe man sich in den vergangenen Jahren aber zu oft juristisch und vor Schiedsstellen auseinandersetzen müssen. Das habe auch hohe Anwaltskosten zur Folge gehabt, kritisiert der United-Internet-Manager.
Es sei in der Vergangenheit fortwährend schwierig gewesen, sich mit der deutschen Tochter des spanischen Telekommunikationskonzerns auf die genauen Kosten für die Netzmiete zu verständigen. Hinzu komme, dass der neue Vertrag mit Vodafone auch den Zugang zum 5G-Netz des Düsseldorfer Netzbetreibers beinhalte und sogar zukünftige Netztechnologien wie 6G abdecke.
1&1 startet Handytarife im eigenen Netz ab Ende September
Die Vermarktung von Handytarifen, die für rund ein Jahr noch auf ein National Roaming im Telefónica-Netz setzen werden, will 1&1 voraussichtlich am 26. September 2023 starten. Dabei wird es sich zunächst um LTE-Tarife handeln. Erst wenn das National Roaming mit Vodafone startet, ist auch die Vermarktung von 5G-Tarifen im eigenen Netz geplant.
Die aktuell knapp 12 Millionen Mobilfunk-Bestandskunden will United Internet ab dem vierten Quartal dieses Jahres schrittweise auf das eigene Netz migrieren. Los geht es mit Kunden, die einen LTE-Tarif nutzen. Primär also mit jenen, die einen Discount-Tarif bei einer der zahlreichen zu United Internet gehörenden Drillisch-Marken wie WinSim, Smartmobil, oder PremiumSIM nutzen. Kunden mit 5G-Tarif von 1&1 folgen nach aktuellem Stand der Dinge, sobald das National Roaming mit Vodafone startet, also aller Voraussicht nach frühestens im Herbst kommenden Jahres.
Bis 2030 planen United Internet und 1&1 50 Prozent der deutschen Haushalte mit dem eigenen 5G-Netz zu erreichen. Pro Jahr rechnet Dommermuth in den kommenden Jahren mit dem Aufbau von rund 2.000 Mobilfunk-Standorten.