Beginnen wir technisch: Der Begriff Shared Medium wird im Internet-Bereich dann verwendet, wenn sich mehrere Personen, die zur Verfügung stehende Bandbreite einer Technologie teilen müssen. Dabei geht es nicht primär darum, dass sich die Mitglieder eines Haushaltes die Bandbreite ihres Anschlusses teilen, sondern darum, dass fremde Menschen sich eine zur Verfügung stehende Netzkapazität teilen. Die meisten Leute bringen das mit Kabel-Internet und Mobilfunk in Verbindung. Tatsächlich aber betrifft Shared Medium alle Internet-Anschlüsse – egal ob DSL, VDSL, Glasfaser, Kabel oder Mobilfunk. Der wesentliche Unterschied besteht darin, wie viele Menschen sich die Kapazität teilen und wie groß diese ist. Entsprechend positiv oder negativ sind die Auswirkungen von Shared Medium.
Shared Medium im Kabelnetz: Gefühlt negativ
Vor allem, wenn es um Internet per Kabel geht, taucht der Begriff Shared Medium immer wieder auf. Das liegt daran, dass die Kabelnetze in den 2010er Jahren zu schnell zu viele Kunden auf ihre Netze geschaltet haben. Gleichzeitig haben sie ihre Netze aber nicht schnell genug ausgebaut. So steht die gleiche oder nur langsam wachsende Kapazität für immer mehr Kunden zur Verfügung. Das Resultat: Weniger Bandbreite für jeden einzelnen, wenn alle gleichzeitig das Internet nutzen.
Der Ausbau der Kabelnetze erfolgt in Segmenten oder Cluster. In diesen Clustern steht die Gesamtkapazität zur Verfügung. Üblicherweise sind dieses maximal 1,2 bis 1,7 Gbit/s. Nach unbestätigten Informationen haben Kabelnetzbetreiber in der Vergangenheit zum Teil mehrere hundert oder gar mehr als 1.000 Kunden auf einen solchen Cluster geschaltet. In solchen Fällen standen bei 1.000 Kunden pro Cluster noch 1,2 Mbit/s bis 1,7 Mbit/s pro Kunde zur Verfügung, wenn alle Kunden gleichzeitig im Internet surfen.
Lange Zeit spielte das keine große Rolle. Dauerte ein Download mal länger, konnte man sich damit arrangieren. Seitdem aber gefühlt jeder abends Streaming-Dienste nutzt, stockt das Bild, wenn zu viele deiner Nachbarn auch online sind. Denn dann wird konstant hohe Bandbreite benötigt, während es beim normalen Surfen und Herunterladen am Rechner eher Traffic-Spitzen sind, die sich nur selten überschneiden.
Wird ein Cluster verkleinert (Node-Split), so steigt die Bandbreite, die pro Nutzer bei gleichzeitiger Nutzung zur Verfügung steht. Die Verkleinerung eines Clusters ist in der Regel mit Bauarbeiten verbunden. Die Netzbetreiber müssen Glasfaserleitungen verlegen und Technik muss neu installieren.
Netzausbau schafft weitere Kapazitäten
In den Startzeiten von Kabel-Internet war der Aufbau des Kabelnetzes praktisch. Anders als bei DSL oder VDSL musste nicht sofort flächendeckend verdichtet werden. Denn der Kabelstandard DOCSIS erlaubt es, die Daten über mehr als 60 Kilometer zu transportieren. Die Anbieter konnten sich den Bedarf und die Nachfrage in den einzelnen Gebieten ansehen und dann bedarfsgerecht nachjustieren und ausbauen.
Nur geschah das oftmals nicht rechtzeitig, weswegen Kabel-Internet immer noch einen schlechten Ruf in Bezug auf das Shared Medium hat. Und tatsächlich ist es auch heute noch in vielen Regionen hilfreich, vor dem Wechsel zu einem Kabelanbieter seine Nachbarn nach deren Erfahrung mit dem Anbieter zu fragen – vorausgesetzt, sie sind dort Kunde. Fairerweise muss aber auch gesagt werden: Es gibt zahlreiche Regionen in Deutschland, in denen der Ausbau rechtzeitig oder zumindest inzwischen vorgenommen wurde und sich die versprochenen Kabelnetz-Datenraten von mehreren hundert Megabit pro Sekunde auch erzielen lassen.
Auch mit dem inzwischen nahezu flächendeckend verfügbaren Kabel-Standard DOCSIS 3.1 ändert sich am Grundprinzip des Kabelnetzes in Bezug auf Shared Medium nichts. Es bleibt ein Netz, in dem es eine Gesamtkapazität pro Netzsegment gibt. Diese teilen sich die aufgeschalteten Kunden. Allerdings ist die Kapazität bedeutend größer und die Kunden pro Segment gleichzeitig weniger. Wie das erreicht wird, zeigt ein Hintergrundtext zu DOCSIS 3.1.
Die Kabel-Internet ist zu langsam, was kann ich tun?
Tatsächlich können Kunden bei einem überbuchten Kabelanschluss nur wenig tun. Es kann helfen, dem Anbieter regelmäßig Fristen zur Nachbesserung zu setzen oder mit einer außerordentlichen Kündigung zu drohen. Oftmals ist aber der Anbieter zumindest bei einer kurzfristigen Reaktion machtlos. Wurde ein rechtzeitiger Ausbau verschlafen, so muss unter Umständen erst eine Baugenehmigung beantragt und gegraben werden. Das kann Monate oder gar Jahre dauern.
Ein kleines bisschen können Kabelkunden selber Einfluss darauf nehmen, wie stark der Effekt des Shared Medium sie betrifft. Sofern der Kabelanbieter ausreichend Übertragungskanäle anbietet, ist es hilfreich, dass der Router ebenfalls möglichst viele DOCSIS-Kanäle unterstützt. Der Standard liegt bei 20 bis 24 Kanälen, bis zu 32 Kanäle sind möglich. Bei DOCIS 3.1 sollte es auf absehbare Zeit keine Probleme mit Überlastungen geben.
Shared Medium im Mobilfunk: LTE, 5G und GSM sind immer geteilt
„LTE mit bis zu 300 Mbit/s“ – das klingt in der Werbung zu schön, um wahr zu sein. Und oft ist es das auch. Denn jedes Mobilfunknetz ist ein Shared Medium. Ein Sendemast beziehungsweise ein Antennensegment versorgt immer mehrere Nutzer. Je nachdem wie eng die Antennen stehen und wie viele Menschen sich in einem Gebiet aufhalten, ist in der Folge auch das Antennensegment mehr oder weniger stark ausgelastet.
Die beworbenen Maximal-Bandbreiten für den Tarif von – je nach Anbieter – 225, 300 oder 500 MBit/s gibt es trotzdem: Sie befinden sich als Gesamtkapazität in der Luft und wären dann nutzbar, wenn keine anderen Nutzer auf das Netz zugreifen. Da es grundsätzlich eine Art Grundrauschen der Smartphones gibt, ist es selbst nachts um 3 Uhr höchst unwahrscheinlich, diese beworbenen Datenraten voll ausschöpfen zu können – zumal einige Mobilfunkanbieter nachts Strom sparen und die Kapazität eines Antennenstandortes reduzieren.
Mehr Sendemasten, mehr Frequenzen, mehr Bandbreite
Um das Phänomen der sinkenden Datenraten in Gebieten mit vielen Nutzern zu reduzieren, haben die Netzbetreiber zwei Möglichkeiten: Sie können die Antennenstandorte zum Beispiel weiter verdichten. So werden beispielsweise an stark frequentierten Orten mittlerweile Smallcells eingesetzt, die nur wenige hundert Meter im Umkreis versorgen – dafür aber mit voller Kapazität. Alternativ können die Netzbetreiber meistens auch noch weitere Frequenzen aufschalten.
Je mehr Frequenzen und Frequenzbänder zum Einsatz kommen, desto höher ist die Gesamtkapazität der Funkzelle und somit auch die Geschwindigkeit für jeden einzelnen Nutzer. Allerdings haben die Netzbetreiber nicht unendlich Frequenzen zur Verfügung. Zudem müssen sie die Daten auch zum Sendemast transportieren können. Auch hier kann eine Überbuchung vorliegen, etwa wenn die Anbindung per Richtfunk erfolgt. Und: In ländlichen Gebieten gibt es deutlich weniger Frequenzen, die eingesetzt werden können. Der Grund: Die meisten Frequenzen haben eine geringe Reichweite, weswegen der Provider deutlich mehr Sendemasten bauen müsste.
Was kann ich gegen zu langsames LTE tun?
Wer von einem überlasteten Netz betroffen ist, hat wenig Möglichkeiten, etwas dagegen zu tun. Nicht immer ist ein Standortwechsel in eine nicht überlastete Zelle möglich, der Ausbau lässt sich auch nicht forcieren. Ein entscheidender Tipp kann jedoch sein, das Handy auszutauschen. Denn nicht alle Handys unterstützen alle Frequenzbänder und Technologien. So sind die vergangenen Jahre nicht nur weitere Frequenzen zur LTE-Nutzung hinzugekommen, sondern auch die Zusammenschaltung von Frequenzen (Carrier Aggregation) sowie moderne Antennen-Technologie (MiMo). Ein weiterer Tipp: Den Anbieter wechseln. Möglicher hat die Konkurrenz ein besseres Netz und mehr Frequenzen – oder weniger Kunden.
Shared Medium ist im Mobilfunk übrigens kein spezielles Phänomen von LTE oder 5G: Auch die GSM-Netze waren bei Sprachverbindungen schon ein Shared Medium, denn pro genutzter Frequenz sind bei GSM bis heute nur 8 Gespräche gleichzeitig möglich. An die gefürchteten Netzüberlastungen zum Jahreswechsel werden sich viele Handynutzer noch erinnern.
Glasfaser per FTTH, FTTB und VDSL: Das unerwartete Shared Medium
Glasfasernetze werden als die zukunftsfähigsten und hochperformantesten Netze beschrieben. Von einer Gigabit-Gesellschaft ist gerne die Rede. Doch auch Glasfaser-Netze basieren auf dem Prinzip des Shared Medium.
VDSL: Moderner Glasfaser-Ausbau ist ein geteiltes Medium
VDSL wird in der Regel über Multifunktionsgehäuse (MFG) auf dem Bürgersteig realisiert. Bis zu diesem ist ein Glasfaserkabel verlegt, ab dort kommt dann die Kupferleitung zum Einsatz. Die Kupferleitung muss sich der Kunde nicht mit anderen Nachbarn teilen, allerdings können sich die Signale verschiedener Haushalte stören, was mit der Vectoring-Technik versucht wird, auszugleichen. Alle Kunden eines MFG müssen sich dann jedoch die Kapazität der Glasfaserleitung teilen. Ein einzelnes MFG versorgt je nach Gebiet mehrere hundert Kunden. Hätten nun 500 Kunden jeweils VDSL 100 mit 100 MBit/s gebucht, so müsste der Anbieter, der dieses MFG betreibt diesen mit 10 GBit/s anbinden, damit zu keinem Zeitpunkt ein Shared-Medium-Effekt zu spüren ist.
Da jedoch nie alle Kunden gleichzeitig ihre Leitungen voll ausnutzen, arbeiten die Provider mit Überbuchung. Doch die Telekom beruhigt in einem Statement uns gegenüber: „Wir haben unsere Netze ständig im Blick, insbesondere bei der Zu- und Abführung des Verkehrs von unseren Anschlussnetzknoten“, teilte ein Sprecher mit. Im Anschlussknotennetze messe die Telekom kontinuierlich im 15-Minuten-Takt die Auslastung auf der Glasfaseranbindung. „Erreicht sie einen definierten Schwellwert, wird automatisch eine Erweiterung angestoßen. So wird die Qualität für die Dienste der Kunden in unserem Netz immer gewährleistet.“ Natürlich gilt der Effekt am Ende nur für VDSL, sondern auch für DSL-Anschlüsse.
Überraschung: Auch Glasfaser-Anschlüsse sind meistens ein Shared Medium
Die meisten FTTH-Netze, die Glasfaser bis zum Kunden in die Wohnung bringen, werden in Deutschland auf Basis der GPON-Technologie gebaut. Dabei handelt es sich um eine Shared-Medium-Technologie, bei der je nach Ausbauart bis zu 32 oder 64 Kunden eine einzelne Glasfaser bei der Zuführung nutzen. Sie teilen sich eine Gesamtkapazität von 2,5 GBit/s. Bei Mehrfamilienhäusern realisieren die Anbieter diese 2,5-GBit/s-Cluster in der Regel pro Haus, auch wenn dort keine 32 Wohneinheiten existieren. So lässt sich auch der für diese Technik benötigte optische Splitter im Technikraum installieren. Bei Zehn Wohnungen in einem Haus stehen so rein rechnerisch bei Vollauslastung aller Leitungen 250 Mbit/s pro Wohnung zur Verfügung. Auch hier gilt: Die gleichzeitige Vollauslastung aller Leitungen ist unwahrscheinlich.
Aber selbst wenn – es gibt bereits eine Erweiterung: Mit XGPON wären die Glasfasernetze auf GPON-Basis in der Lage, 10 GBit/s über die Leitung zu übertragen. Dafür seien keine Änderungen an der passiven Basisinfrastruktur – also den Glasfaserkabeln zwischen Central Office und Kundenwohnung – nötig, so die Telekom. Allerdings müssen die Netzbetreiber im Netz einige Elemente tauschen.
Die nächste Generation PON-Systemtechnik sei mit GPON koexistent. In der Praxis werde das XG-PON System auf einer anderen Wellenlänge in den Faserbaum übertragen. Der Kunde, der diese hohen Datenraten benötigt, bekommt ein anderes Endgerät zugeschickt, alle anderen Kunden können ihr Endgerät behalten. Doch auch bei einer solchen Ausrüstung bleibt FTTH ein Shared Medium – wenngleich ein sehr gutes und schnelles. Erste Gehversuche macht die Telekom mit dem neuen Standard übrigens schon: Sie bietet in Pilotregionen Anschlüsse mit 2 GBit/s an.
Nur eine direkte Glasfaseranbindung ist kein Shared Medium
Uns gegenüber bestätigte die Telekom, sie setze beim FTTH-Ausbau auf ein 1:32 Splitting bei einer 2,5 Gbit/s-Zuführung. „Bei den aktuellen Verkehrsprognosen ist das auch in den nächsten Jahren kein Problem. Falls wir beobachten, dass es eng wird, steht mit XGPON (10 G) schon die Nachfolgetechnologie bereit“, heißt es von der Telekom.
Sofern die Splitter in die Wohnung der Kunden kommen, kommen auch die Datenströme aller Nachbarn in jeder Wohnung an. Der Splitter filtert die für ihn bestimmten Daten heraus. Die anderen, fremden Daten, können nicht ausgelesen werden. Vorteil dieser Methode: Die Netzbetreiber müssen weniger einzelne Glasfasern vom Netzknoten in die Häuser ziehen. Das reduziert die Kosten – auch für die Technik im Netzknoten.
Nur, wenn jeder Kunde eine eigene Glasfaser bis in die Wohnung bekommt und diese bis zur Vermittlungsstelle durchgebunden ist, handelt es sich nicht um ein Shared Medium auf der letzten Meile. Doch auch diese Glasfaser-Sammelpunkte haben eine Anbindung, die sich dann wieder alle Kunden teilen. Hier könnten dann die Übergabepunkte in ein anderes Netz überlastet sein.
Heimvernetzung: WLAN ist ein geteiltes Medium
WLAN-Netze sind heute die übliche Art, Internetsignale in der eigenen Wohnung zu verteilen. Damit holt sich jeder Internetkunde automatisch ein Shared Medium ins Haus. Denn nicht nur, dass sich alle Haushaltsmitglieder das WLAN-Netz und die Kapazität teilen – auch die Nachbarn nutzen WLAN. Und zwar oft auf denselben Frequenzen.
Je mehr Nachbarn in einem Haus WLAN nutzen, desto größer ist die Chance, dass andere Nachbarn die gleiche Frequenz in ihrem WLAN eingeschaltet haben. Solange diese keine Daten übertragen, ist das nur selten ein Problem. Übertragen aber alle gleichzeitig Daten, ist die Frequenz voll und die Netze stören sich gegenseitig. Hier kann ein Frequenzwechsel helfen – idealerweise direkt ins 5-GHz-Band, das hier etwas besser und nicht so überlastet ist. Aber auch hier gilt: WLAN ist und bleibt Shared Medium – wie das ganze Internet. Entscheidend ist: Wie viele Kunden teilen sich dieselbe (Glasfaser-)Leitung und wie groß ist die Kapazität dieser Leitung. Je größer die Kapazität und je weniger Kunden sie nutzen, desto besser.